Am 1. Juni hatte der Ortsverband der Grünen in Walldorf die Autorin und Journalistin Heike Kleffner aus Berlin und Oliver Hildenbrand, für die Grünen im Landtag, zur öffentlichen Diskussion über Zoom eingeladen.
Heike Kleffner ordnet rassistische Vorkommnisse in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang ein, kontextualiert und bündelt sie. So entstand eine Dokumentationen über Todesopfer rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland für den ‚Tagesspiegel‘ und ‚Die Zeit‘. Sie ist Geschäftsführerin des ‚Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt‘ (VBRG). In ihren aktuellen Büchern „Extreme Sicherheit: Rechtsradikale in Polizei, Verfassungsschutz, Bundeswehr und Justiz“ (Herder, 2019) und „Fehlender Mindestabstand: Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde“ (Herder, 2021) reflektiert sie über die Gefahren für unsere Zivilgesellschaft und ihre Institutionen.
Oliver Hildenbrand vertritt seit der Landtagswahl 2021 den Stuttgarter Norden als direkt gewählter Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg. Es ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Mitglied im Sozial- und Innenausschuss und gehört dem Landtagspräsidium an. Außerdem ist er Mitglied im parlamentarischen Kontrollgremium, das die Aktivitäten des Verfassungsschutzes kontrolliert.
Die lebendige Diskussion über den Umgang mit Rassismus und den damit verbundenen Gefahren für unsere Demokratie hier vor Ort und das gesellschaftliche Miteinander insgesamt wollen wir Revue passieren lassen und Einblicke in die angesprochenen Themen und konkreten Lösungsvorschläge geben.
Wie rassistisch ist Deutschland?
Als Einleitung berichtete Ortsverbandsmitglied Johannes vom Umzug seiner Familie von Südkorea nach Walldorf. Die Familie mit südkoreanischen Wurzeln war vor vier Jahren von Heidelberg nach Seoul gezogen – auch um dem erfahrenen Alltagsrassismus in Deutschland zu entkommen. Die Rückkehr wollte gut überlegt sein und so wälzte die Familie bei der Entscheidungsfindung mehrere Studien, auch zum Vergleich mit anderen Ländern.
Beim „Migrant Integration Policies Index“ (MIPEX) beispielsweise schneidet Deutschland nicht gut ab. Dieser Index vergleicht nicht über Umfragen, sondern die tatsächlich in Kraft getretenen politischen Maßnahmen zur gesellschaftlichen Integration von Migrant:innen: Wie leicht bzw. schwer ist es für Migrant:innen die jeweilige Staatsbürgerschaft zu erhalten? Welche politischen Maßnahmen gegen Diskriminierung sind in Kraft? Steht Bildung jedem offen, egal woher? Wie flexibel ist der Arbeitsmarkt? Kann jede:r gesellschaftlich aufsteigen, egal woher?
Verglichen mit anderen Ländern wie Kanada (MIPEX 80) oder den USA (MIPEX 73) steht Deutschland überraschend schlecht da, wenn es um die staatlichen Maßnahmen zur Integration der eigenen Migrant:innen geht – MIPEX 58.
Gestützt durch weitere Studien stand so zunächst die Erkenntnis im Raum, dass Deutschland – wissenschaftlich betrachtet – rassistischer ist, als viele der Besucher der Veranstaltung angenommen hatten.
Und hier vor Ort?
Heike Kleffner hatte am 23.09.2020 in ‚der Freitag‘ über den rassistischen Vorfall vor der Eisdiele in Wiesloch aus dem Jahr 2018 berichtet. Auch an diesem Abend wies die Journalistin darauf hin, dass es in Baden-Württemberg seit den 1990er Jahren organisierte militante Neonazi-Kameradschaften gebe, deren Aktivisten vor Ort gut integriert seien. Wie das Plenum feststellte, treffen deren Aktionen im Alltag oft auf viel Gewöhnung an Rassismus.
Was kann man konkret tun?
Aber wie geht man konkret mit dieser Gewöhnung um, wie steht man auf und bezieht Stellung? Darum ging es im Hauptteil der Diskussion, die Stadtrat Max Himberger moderierte. Oft findet man im Alltag nicht die richtigen Worte, wenn man mit rassistischen Statements konfrontiert wird. Hilfe findet man z.B. bei www.gegen-argument.de
Von Teilnehmern empfohlen wurde außerdem das Buch „Argumente am Stammtisch – Erfolgreich gegen Parolen, Palaver, Populismus“ von Klaus-Peter Hufer, erscheinen bei der ‚Bundeszentrale für politische Bildung‘.
Was kann man gegen hetzte im Netz im speziellen tun? Am besten zuerst …
www.hassmelden.de
… und außerdem kann man sich beim VBRG darüber informieren, wie man rechtssichere Screenshots macht, wenn Straftaten im Netz zur Anzeige gebracht werden sollen:
www.verband-brg.de/rechtssichere-screenshots
Wie kann man sich als Kommunalpolitiker gegen Angriffe schützen? Mehr Infos dazu gibt es vom VBRG hier:
www.gruenlink.de/2kkk
Außerdem gibt es noch die zentrale Anlaufstelle für Amts- und Mandatsträger beim LKA:
www.gruenlink.de/2kkj
Das Schlusswort von Oliver Hildenbrand machte Mut. Er und viele engagierte Politiker arbeiten daran, das Vertrauen der Menschen in Politik zurückzugewinnen – am besten sei das durch das Lösen konkreter Probleme möglich. Das gesamtgesellschaftliche Problem des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit ist komplex. Und zu dessen Lösung bedarf es vieler kleiner Schritte. Dazu gehört laut Heike Kleffner z.B. auch das kommunalpolitische Engagement – so wie die Teilnahme an Veranstaltungen wie dieser.
Ein Abend voller neuer Erkenntnisse für alle Beteiligten, praktische Tipps für ein persönliches Handeln gegen Fremdenfeindlichkeit, ein Bewusstmachen für leider auch hier alltägliche Rassismuserfahrungen und durch den Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung am 3. Juni ein öffentlichkeitswirksames Statement, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Region und hier vor Ort in Walldorf keinen Platz haben.
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