Am 29. November 2022 beriet der Gemeinderat zum einem entsprechenden Antrag unserer Fraktion. Die Rede zur Begründung für die Fraktion Bündnis90/ Die Grünen im Gemeinderat hielt Stadträtin Nele Böhm.
Sehr geehrter Bürgermeister Renschler, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen und Kolleginnen,
Wir, Bündnis 90 / Die Grünen stellen heute den Antrag zur Prüfung von kostenloser Bereitstellung von Menstruationsartikeln in öffentlichen Gebäuden, sowie in den Walldorfer Bildungseinrichtungen.
Warum wir diesen Antrag als nötig erachten?
Nicht selten kommt es vor, dass menstruierende Menschen in die Situation kommen, ihre Periode unerwartet oder zu einem unpassenden Zeitpunkt zu bekommen, zum Beispiel in der Schule. In Situationen wie diesen, ist es oftmals keine Selbstverständlichkeit, dass dort, genau wie Klopapier, Menstruationsartikel zur freien Verfügung stehen. Doch das Erfragen nach benötigten Hygieneartikeln, insbesondere in Umgebungen, welche nicht das zu Hause sind, sind oftmals durch die Gesellschaft von Scham geprägt.
Durch die Bereitstellung von Menstruationsartikel wäre zumindest eine kleine Grundlage der Unterstützung hinsichtlich des psychischen und physischen Wohlbefindens geschaffen.
Als Argument wurde aufgeführt, dass es durchaus zu „Vandalismus“ kommen kann, welche vor allem bedingt durch diese Artikel stattfinden könnte bzw. hier Anreize setzen könnte. Unter diesem Vandalismus wurde insbesondere auf verstopfte Toiletten hingewiesen. Statt dies als Gegenargument aufzuführen, würden wir sagen, dass hier besonders auf Aufklärung in den Schulen und auch sonst gesetzt werden sollte. Angefangen damit, was die Periode ist und wie man damit um geht, weiter zur richtigen Entsorgung der Artikel. Menschen, die die Toiletten verschmutzen möchten – werden dies tun, auch ohne diese vorhandenen Hygieneartikel.
Ebenfalls davon auszugehen, dass insbesondere junge menstruierende Menschen von sich aus den Mut aufbringen, wenn sie auf der Schultoilette feststellen, dass sie ihre Periode bekommen haben – eventuell sogar das erste Mal – dann erst noch durch die ganze Schule zum Sekretariat zu laufen, so wie es derzeit in unseren Schulen gehandhabt wird, und dann mehr oder weniger fremde Menschen danach zu fragen, ob sie ein Tampon oder einer Binde bekommen, finde ich sehr kritisch.
Des Weiteren sollte dieser Punkt auch in Anbetracht der Gender-Debatte hinterfragt werden. Denn, und dies muss ich leider ausdrücklich auch in der uns vorliegenden Vorlage bemängeln, menstruieren nicht nur Mädchen und Frauen, sondern genauso non-binäre, transsexuelle Menschen usw. Und dass junge Menschen, die sich eventuell sowieso schon in einer komplizierten Lebensphase befinden, dann sich auch noch einer so befremdlichen Situation auszusetzen müssen, um die Artikel zu bekommen, finden wir keineswegs richtig gelöst. Einen weiteren unempathischen Satz unserer Vorlage ist meiner Meinung nach — ich zitiere „Daneben stellt sich auch die Frage, ob es eine Enttabuisierung, dieses sehr persönlichen Themas, im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses bedarf.
Im Grundsatz ist die Thematik für die entsprechende Personengruppe sehr individuell und vor allem sehr intim.“ Ich kann ihnen sagen, JA dieses Thema sollte einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs hervorrufen, denn wie ich am Anfang betont habe – durch einen großen teil der Gesellschaft wurde und wird uns immer wieder vor Augen geführt und betont, dass die Periode ein Thema ist, über welches wir nicht in der Öffentlichkeit reden sollen. Dabei ist die Periode das normalste auf dieser Welt und niemand, wirklich niemand sollte sich unwohl dabei fühlen müssen, wenn er über sein Körper reden möchte. Doch anscheinend haben dies einige noch nicht verstanden und genau deswegen ist es wichtig weiter Bewusstsein für ein eigentlich so normales Thema zu schaffen. Ob jemand der menstruiert darüber reden möchte oder nicht, ist selbstverständlich eine individuelle Entscheidung, aber dass man sich unwohl fühlt, gar schämt, wenn man darüber spricht — das ist schlicht der falsche Weg!
Ein weiterer Faktor, warum uns dieser Antrag so wichtig ist, ist die „period poverty“ oder auch Periodenarmut. Dies bedeutet, dass Menstruierende, die sich in prekären Lebenssituationen befinden wie z.b. der Obdachlosigkeit oder auch nur ein geringes oder mittleres Einkommen haben wie zum Beispiel Student*innen, neben den sowieso anfallenden Lebenskosten durch monatliche zusätzliche Kosten für Binden, Tampons usw. Abstriche bei andern Dingen machen müssen oder sich eben wenig bis keine Hygieneartikel leisten können. Da die Menstruation Alltag ist und keine freiwillige Entscheidung, dürfen auch die benötigten Artikel kein Luxusgut darstellen. Wahrscheinlich wird die Bereitstellung keine Armut lösen, aber sie wird zumindest ein Minimum beitragen können, dass Frauen in öffentlichen Räumen sich keine Sorgen machen müssen oder sich zwischen etwas zu essen oder Hygieneartikel für die Woche entscheiden müssen. Natürlich muss man hierfür auch das richtige System finden und eben eine Testphase durchlaufen, inwiefern das Angebot in Walldorf angenommen wird. Jedoch gibt es so viele gute Ansätze, dass wir keine Zweifel haben, das richtige System für unsere Stadt zu finden — sei es ein Automat oder doch zu befüllende Boxen. Auch der hierfür gegebenenfalls benötigte Personalaufwand ist uns bewusst, sehen wir jedoch als lohnend für so ein Projekt an.
Schottland macht es vor, wie es richtig geht und erlässt im Jahr 2020 ein Gesetz, welches die kostenlose Bereitstellung von Menstrutationsartikeln in öffentlichen Gebäuden ermöglicht. Städte und Kommunen wie Heidelberg oder Speyer folgen diesem Beispiel und setzen sich für Testphasen dieses Konzeptes ein. Als Begründung diesen Antrag erstmal von uns als Stadt wegzuschieben, zu sagen, dass wir erst einmal die Testphasen und Erwartungen anderer Städte abwarten sollen, ist dann doch nicht so zukunftsorientiert, wie man es sich von Walldorf erhofft. Warum warten und nicht ein Zeichen setzen und unterstützen? Ganz einfach: wer etwas will, findet Wege, wer etwas nicht will, findet Gründe.
Dies würde nicht nur den Alltag erleichtern, sondern desgleichen auch zur Enttabuisierung und Normalisierung der Periode beitragen.
In diesem Antrag mag die Feministin aus mir sprechen, aber das sollte sie aus uns allen hier. Aus jedem von uns, egal, welchem Gesellschaft wir uns angehörig fühlen. Vor allem in Zeiten, in denen Frauen im Iran für ihre Rechte einstehen und kämpfen, in Zeiten in denen Frauen immer noch der Mund in Ländern verboten wird, wenn sie ihre Meinung äußern und kritisiert dafür werden, wie sie sich kleiden oder ihren Körper pflegen und Menschen, welche der LGBTQ+ Community angehören, konsequent diskriminiert werden. In genau solchen Zeiten können wir zeigen, dass wir Zeichen setzen wollen und als Kommune Menschen überall da unterstützen, wo es nötig ist. Wie wir alle wissen ist dies ein viel größeres Problem, als welches wir hier heute lösen können. Jedoch würde dieser Versuch den Alltag vieler Menschen erleichtern und auch einen Schritt zur Enttabuisierung und Normalisierung der Periode beitragen.
Wir Bündnis 90 / Die Grünen bitten Sie alle hier im Rund, als ersten Schritt, diesem Antrag zur Prüfung von kostenloser Bereitstellung von Menstruationsartikeln in öffentlichen Gebäuden, sowie in den Walldorfer Bildungseinrichtungen zuzustimmen und gemeinsam unsere Bürger*innen zu unterstützen.
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Die RNZ berichtet dazu wie folgt: https://www.rnz.de/region/rhein-neckar_artikel,-nach-antrag-der-gruenen-walldorf-prueft-kostenlose-periodenartikel-_arid,1015479.html
Vielen Dank an die Fraktionen der SPD und FDP für ihre Haltung und Zustimmung zur Sache und unserem Antrag!
Link zum Antrag: https://walldorf.gruene-kurpfalz-hardt.de/antrag-erfolgreich-bereitstellung-kostenloser-menstruationsartikel-wird-geprueft/
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