In der Sitzung des Gemeinderates Walldorf am 21.01.2020 wurde der Antrag unserer Fraktion https://walldorf.gruene-kurpfalz-hardt.de/antrag-klimanotstand/ erstmals behandelt. Wir müssen einige Ausführungen zu unserem Antrag auf Erklärung des Klimanotstandes mit weiteren Anträgen aus der letzten Sitzung des Gemeinderate machen:
Was haben die Städte Heidelberg, Erlangen, Konstanz, Saarbrücken, Köln, Bochum, Düsseldorf, Karlsruhe, Aachen, Münster, München, Los Angeles, Basel, London, Vancouver, der Kreis Düren, das Bundesland Berlin, das EU Land Spanien und seit Ende 2019 auch die EU gemeinsam? In all diesen Städten (weltweit bereits weit über 1000 an der Zahl) und Kreisen, Staaten und der EU hat der jeweilige Rat (bzw. das Parlament) den Klimanotstand ausgerufen.
Meist wurden diese Beschlüsse gefällt mit einer breiten Mehrheit unterschiedlicher politischer Kräfte. „Klimanotstand“ ist dabei kein fixer juristischer Begriff, aus dem sich direkt diese oder jene Konsequenzen ableiten lassen. Vielmehr ist es ein Weckruf, ein Eingeständnis, durch das ausgedrückt wird, dass man die Bedrohung, vor der wir stehen, ernst nimmt und sich und dem Rest der Welt erklären möchte, dass sich diese nicht mehr mit Business as usual, mit Weiter so, wird bewältigen lassen.
Aber „Notstand“ bedeutet ja zunächst einfach, dass man erkennt und sich eingesteht, dass es mit dem üblichen Instrumentarium nicht mehr gelingen wird, einer Krise Herr zu werden.
Jede neue wissenschaftliche Untersuchung bestätigt, was wir seit Jahren und Jahrzehnten wissen könnten und sollten. Bzw. dass man mit den Einschätzungen vom jeweils letzten Jahr noch zu viel zu optimistisch war. Wir steuern auf dramatische Umwälzungen hin, die laut einer vor einigen Wochen erschienenen Stellungnahme von über 10000 Wissenschaftlern „unsagbares menschliches Leid“ mit sich bringen werden, wenn wir nicht sofort massive Änderungen an unserer Art zu wirtschaften und zu konsumieren vornehmen. Die Wissenschaft befürchtet, wir nähern uns mit großen Schritten sogenannten Kipppunkten, oder haben diese bereits überschritten, von denen ab das Weltklima unaufhaltsam in neue, katastrophale Zustände übergeht.
Manche meinen, es werde ja ohnehin schon so viel gemacht und es werde soviel Papier beschrieben. Ja, da haben Sie sicher recht, Papier beschrieben wird auch bei uns sehr viel. Aber passiert denn wirklich so viel? Passiert genug? Für uns Grüne nicht, nicht ansatzweise. Woher diejenigen, die einer anderen Meinung sind, als wir, die Ruhe nehmen, zu sagen, es läuft doch alles bereits prima, erschließt sich uns überhaupt nicht.
Es stimmt, das Klima hat sich immer schon verändert. Auch in den letzten 500.000 Jahren hat es merklich hin und her geschwankt, ganz ohne SUVs und Ferienflieger, aber immer praktisch im Gleichschritt mit dem CO2-Gehalt der Atmosphäre. Und der lag in der letzten halben Million Jahren immer ungefähr zwischen 180 und 280 ppm CO2. Inzwischen aber haben wir ihn auf über 415ppm nach oben katapultiert und jetzt raten Sie mal wie das Klima derzeit darauf reagiert. Also nochmal: Was derzeit geschieht, das gab es noch nie. Nicht in der Geschwindigkeit, nicht in der Höhe, und vor allem, nicht in einer Welt in der sieben Milliarden Menschen ernährt werden müssen und geschätzt eineinhalb Milliarden davon nahe am Wasser wohnen.
Andere Länder sind jedenfalls davon bereits heute ganz anders betroffen, als wir hier in Deutschland, durch unseren aufwändigen Lebensstil tragen wir überproportional zur Klimakrise bei, 1 % der Weltbevölkerung, aber 2 % der weltweiten Emissionen, aber sich derzeit nicht dazu durchringen kann, den nötigen Beitrag zu deren Bewältigung zu leisten. Die Folgen sind bereits bei uns angekommen: Reden Sie mit dem Förster ihres Vertrauens, der ratlos auf die großen Verluste blickt, die die Waldwirtschaft seit 1-2 Jahren einfährt, weil überall wegen des drastisch vermehrten Einschlags von trockenheitsgeschädigten Bäumen die Holzpreise im Keller sind. Reden Sie mit der Pensionswirtin in Ihrem Lieblingsskigebiet, die ratlos beobachtet, dass der Skitourismus unterhalb von 1500 m eigentlich kaum noch betrieben werden kann. Oder reden Sie mit der Managerin bei BASF, die im letzten Dürresommer über Wochen eine teure Anlage wegen des Rheinniedrigwassers abschalten musste, Millionenverluste inbegriffen, echte heutige konkrete Millionenverluste. Es kann für wache Menschen kein Zweifel mehr daran bestehen, dass die Klimakrise hier angekommen ist und dramatische Folgen, finanziell, sozial und ökologisch hat. Experten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) haben unlängst erklärt, um das „Maximal 2 Grad Erwärmungsziel“ noch zu erreichen, müssten wir ab heute jedes Jahr unseren CO2-Ausstoss um ca. 7-8% reduzieren. Und selbst dann sei es nicht gesichert, dass sich diese Schwelle von nur zwei Grad zuverlässig halten lassen wird.
So oder so: unser Appell: Lassen Sie uns ehrlich mit uns selbst sein! Mit einem „Weiter so!“ werden wir der anstehenden Krise nicht gerecht.
Wir appellieren eindringlich an Sie: Greifen wir für alle sicht- und hörbar der Klimakrise ins Lenkrad, erklären wir heute den Klimanotstand oder auch die Klimakrise und beginnen wir morgen damit, die nötige Bereitschaft, die nötigen Ressourcen und die nötige Findigkeit zu Bewältigung der Klimakrise zu versammeln.
Worum es der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Antrag zur Erklärung des Klimanotstands geht, ist, dass wir sicher bei vielen Themen sagen können, wenn wir das heute nicht anpacken, dann können wir das immer noch morgen tun. Das geht beim Klima nicht mehr und das wissen Sie wahrscheinlich auch und deshalb wollten wir es Notstand nennen.
Im Folgenden die Rede der Fraktion „Bündnis90/ Die Grünen“ gehalten vom Fraktionsvorsitzenden Wilfried Weisbrod im Gemeinderat zum Antrag am 21.01.2020:
Was ist ein Klimanotstand?
Die vom Menschen verursachte Klimakrise ist eine der größten Bedrohungen der heutigen Zivilisation. Ihre Auswirkungen werden unumkehrbar und nachhaltig die Grundlagen allen Lebens auf unserem Planeten verändern, wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen nicht drastisch reduzieren. Aus diesem Grund hat sich die Europäische Union zu klima- und energiepolitischen Zielen verpflichtet. Das Ziel, bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, verlangt eine radikale Kehrtwende in vielen Sektoren – auch auf kommunaler Ebene. Der Begriff “Klimanotstand” (auf Englisch “Climate Emergency”) hat sich etabliert, um die Notlage zu beschreiben, die angesichts des drohenden Klimawandels nicht aufschiebbare und schnelle Lösungen erfordert.
Was bedeutet es, wenn der Klimanotstand ausgerufen wird?
Klimanotstand bedeutet nicht, dass es in Walldorf besonders schlecht um den Klimaschutz bestellt ist. Mit dem Ausruf des Klimanotstands weisen wir vielmehr eindringlich auf die Notwendigkeit hin, die Freisetzung klimawirksamer Treibhausgase umgehend zu reduzieren und klimafreundliche Wirtschafts- und Lebensweisen voranzutreiben. Die Erklärung des Klimanotstands ist daher zunächst einmal ein Symbol, das zeigen soll, dass wir in Walldorf den Klimawandel als eine ernsthafte und menschengemachte Bedrohung ansehen, gegen die umgehend Schritte eingeleitet werden müssen. Mit der Ausrufung des Klimanotstands setzen wir zudem ein deutliches Zeichen in Richtung Bund und Land, endlich weitreichendere und verbindliche Entscheidungen zur Einhaltung der Klimaschutzziele zu treffen und durch eine nachhaltige Förderung die dauerhafte Verankerung eines wirksamen Klimaschutzes in Städten und Gemeinden zu ermöglichen.
Am 15. Juli 2019 rief der Bundesverband Bund Deutscher Forstleute (BDF) den Klimanotstand für den Wald in Deutschland aus; am 18. Juli der Bund Deutscher Forstleute Nordrhein-Westfalen (BDF NRW) selbigen für den Wald in Nordrhein-Westfalen. Ca. eine Woche später erklärte der baden-württembergische Forstminister Peter Hauk (CDU) sinngemäß dasselbe für den Wald unseres Bundeslands
Ist der Klimanotstand nur ein symbolischer Akt?
Nein. Die vom Walldorfer Stadtrat zu beschließende Resolution enthält neben der Erklärung des Klimanotstands auch konkrete politische Forderungen und Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes. Insbesondere sollen Vorhaben künftig darauf überprüft werden, welche Folgen sie für das Klima haben. So sollen im Gemeinderat beispielsweise schon zeitnah Informationen zu „Nachhaltigkeit und Auswirkungen auf den Klimaschutz“ verpflichtender Bestandteil von Beschlussvorlagen werden. Weiter sollen bei Entscheidungen, die Auswirkungen auf das Klima haben können, jene Lösungen bevorzugt werden, die sich positiv auf Klima-, Umwelt- und Artenschutz auswirken.
Welche konkreten Folgen hat die Ausrufung des Klimanotstands für Walldorf?
In Walldorf werden eine Reihe von Maßnahmen ergriffen und sollen die Umsetzung bereits erarbeiteter Konzepte forciert werden, die das Klima schützen und die Folgen des Klimawandels eindämmen sollen. Hierzu zählen unter anderem:
- mehr Investitionen in den Rad- und in den öffentlichen Personen-Nahverkehr,
- höhere Energiestandards, Dachbegrünungen und Photovoltaikanlagen im Neubau,
- die CO2-Neutralität der städtischen Gebäude und Liegenschaften,
- 200 zusätzliche Bäume im Stadtgebiet sowie eine Baumschutzsatzung zum Schutz vorhandener Bäume.
Zudem verpflichtet sich die Stadt, im Rahmen des Klimaschutzkonzepts und dem integrierten Mobilitätskonzept Maßnahmen zur Senkung der Emissionen durchzuführen, um eine Reduktion der Treibhausgasemissionen auf 4,5 Tonnen pro Mensch und Jahr bis 2030 zu erzielen.
Aber müsste nicht noch viel mehr getan werden?
Die jetzt verabschiedete Resolution zum Klimanotstand ist nicht als abgeschlossener Maßnahmenkatalog zu sehen, sondern stellt einen von vielen weiteren Schritten auf dem Weg zu mehr Klimaschutz in Walldorf dar. In den kommenden Monaten werden wir GRÜNE im Gemeinderat weitere Maßnahmen sowohl zur Minderung von Treibhausgasemissionen als auch zur Anpassung an den Klimawandel einbringen. Weiterhin fordern wir alle anderen Fraktionen auf, sich aktiv und konstruktiv an der städtischen Klimapolitik zu beteiligen und kommunalen Klimaschutz nicht mehr nur als Herausforderung, sondern auch als Chance für noch mehr Lebensqualität in Walldorf zu begreifen. Klimaschutz muss als Querschnittsaufgabe in das Bewusstsein der Handelnden in dieser Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger gerückt werden.
Wer überwacht den Fortschritt der Maßnahmen?
Die Resolution fordert die Verwaltung auf, Stadtrat und Öffentlichkeit regelmäßig über Fortschritte – und Probleme – bei der Umsetzung der Maßnahmen zu informieren. Dies beinhaltet auch Maßnahmen der städtischen Tochter SWW und auch der Astorstiftung im Hinblick auf die Reduktion der Treibhausgasemissionen.
Der Antrag wurde vertagt und wird zeitnah wieder auf die Tagesordnung des Gemeinderates genommen. – Leider fand im Verlauf der Beratungen der Antrag keine Mehrheit im Gemeinderat- Wir bleiben aber dran.
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