Walldorf legt sich selbst lahm

Leserbrief an die RNZ vom 31.03.2019


Wie viel Verkehr halten die Straßen aus?

Diese Frage stellt sich aktuell die Stadtspitze Walldorf und hat daher gemeinsam mit dem Gemeinderat ein Verkehrsgutachten auf den Weg gebracht (siehe rnz vom 27.2.2019). Man könnte meinen, da werde mit großer Vernunft vorausschauend Kommunalpolitik betrieben. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Das zeigt schon der Untertitel des RNZ-Berichtes: „zusätzliches Verkehrsaufkommen durch weitere Arbeitsplätze“. Walldorf hat seit langem ein gewaltiges Problem, das massive Ungleichgewicht zwischen Einwohnerzahl und Arbeitsplätzen. In keine andere Stadt vergleichbarer Größenordnung pendeln täglich so viele Menschen ein wie nach Walldorf. Das ist die Kehrseite des Erfolges der hiesigen Unternehmen und folglich das Resultat einer weitsichtigen Ansiedlungspolitik der Walldorfer Bürgermeister und Gemeinderäte in der Vergangenheit. Doch was in der Vergangenheit die richtige Standortpolitik war, kann in der Gegenwart die falsche sein. Es drängt sich deshalb die Frage auf, weshalb die Walldorfer Politik immer noch der Auffassung ist, immer weiter neue Firmen nach Walldorf locken zu müssen. Jede Neuansiedlung führt zu zusätzlichen Einpendlern und verschärft die Verkehrsprobleme. Doch nicht nur das: mit jeder Neuansiedlung von bisher auswärtigen Firmen gehen wertvolle Flächen verloren, die in der Zukunft benötigt werden, um den bereits ortsansässigen Firmen weiteres Wachstum ermöglichen zu können.

So musste die Bürgermeisterin bei der Ansiedlung von John Deere selbst zugeben, dass die Stadt für diese jüngste Neuansiedlung ihr letztes verbliebenes Gewerbegrundstück eingesetzt hat. Was machen wir dann aber, wenn in 5 oder 10 Jahren SAP oder andere Firmen weitere Flächen benötigen? Wer die Verkehrsprobleme in Walldorf in den Griff bekommen will und den Walldorfer Firmen auch in Zukunft noch Entwicklungsperspektiven aufzeigen möchte, der darf keine neuen Firmen mehr nach Walldorf holen.

Es war daher doppelt falsch, John Deere und Promega von Mannheim bzw. Bruchsal nach Walldorf abzuwerben. Und nahezu verantwortungslos war es, diese Unternehmen mit dem Argument anzulocken, dass Walldorf eine optimale Verkehrsanbindung biete – um dann ein Jahr später festzustellen, dass man ein Verkehrsgutachten benötigt, weil man gar nicht weiß, ob die Straßen in die Gewerbegebiete für das Verkehrsaufkommen der Pendler überhaupt ausreichen.

Auf welcher Grundlage wurde denn diese Ansiedlung dann beschlossen? Dieses Gutachten hätte unbedingt vor der Ansiedlung der beiden Firmen erstellt werden müssen, um zu prüfen, ob die damit verursachten Pendlerströme überhaupt bewältigt werden können. Wie kann man entscheiden, den Verkehr bewusst zu erhöhen und sich erst danach Gedanken darüber machen, ob das mit den vorhandenen Straßen überhaupt geht? Wenn Walldorf eine Kommune wäre, die auf jeden Cent zusätzlicher Gewerbesteuereinnahmen angewiesen ist, könnte man das vielleicht noch entschuldigen.

Aber das Gegenteil ist ja der Fall: je mehr Restflächen die Stadt an neue Firmen abgibt, desto größer wird das Risiko, dass in der Zukunft ein Walldorfer Unternehmen unsere Stadt verlassen muss, weil wir ihm keine Entwicklungsperspektiven mehr aufzeigen können.

Das ungehemmte Ansiedeln neuer Firmen gefährdet daher sogar mittel- und langfristig die üppigen Gewerbesteuereinnahmen, die den Walldorfer Bürgern eine hervorragende Infrastruktur ermöglichen. Es ist daher dringend geboten, kluge Standortpolitik für Walldorf neu zu definieren.

Dr. Michael Winnes

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