Viel überraschenden und kuriosen Abfall haben die vielen Freiwilligen bei der Gemarkungsputzaktion gefunden: Von Toiletten, einem Heizkörper, und Fahrrädern hörten wir, den Skischuh haben wir selbst im Unterholz nahe der Kartbahn gefunden. Aber es lohnt sich auch, die eher alltäglichen Abfallfunde in den Blick zu nehmen, denn sie haben großen Einfluss auf unsere Umwelt. Ebenfalls im Walldorfer Westen fanden wir die oben abgebildete Plastiktüte, die am Griff kaputt, ansonsten aber noch weitgehend intakt war.
Außer der gelb-blauen Farbgebung hat die Tüte fast nichts gemeinsam damit, wie die Marke Edeka heute auftritt. Unserer ersten Einschätzung nach hätte sie aus den frühen 90ern sein können, doch eine ausgiebige Recherche führte uns noch weiter in die Vergangenheit: Den Slogan „Ihr großer Freund“ haben die Edeka-Märkte von 1972 bis 1980 verwendet. Die Tüte, die wir im Wald fanden, ist also mindestens 43 Jahre alt.

Die 1970er Jahre waren das ‚goldene Zeitalter‘ der Plastiktüten, trotz der Ölkrise 1973 waren sie beliebter und günstiger als Papiertüten: Die Reiterbandtaschen, zu denen auch unser Forschungsprojekt gehört, hatten eine dreifache Faltung des Plastiks am Griff und waren damit sehr stabil, Marktforschung ergab, dass die Menschen vier Mark mehr ausgaben, wenn sie eine solche Reiterbandtasche an der Kasse bekommen konnten. Ein lohnendes Geschäft für die Supermärkte also, aber eines mit langfristigen Folgen.
Die Plastiktüten wurden nämlich aus Polyethylen hergestellt, dem Standard-Kunststoff seit Jahrzehnten. Frischhaltefolie, Wasserleitungen, Gelenkprothesen: Polyethylen hat uns Menschen auf vielfältige Weise geholfen. Es muss aber fachgerecht entsorgt werden. In der Umwelt hat es nichts verloren, denn es kann bis zu 500 Jahre dauern, bis es vollständig zersetzt wurde. Um das anschaulicher zu machen: Hätte Martin Luther seine Thesen auf eine PE-Tüte geschrieben, wäre sie gerade erst verrottet!
Aber auch vor der kompletten Zersetzung birgt Polyethylen Risiken, besonders für die Tierwelt: Wenn sich das Material langsam in kleinere Teile auflöst, wird es von Tieren oft für Nahrung gehalten, kann aber nicht verdaut werden: Viele Lebewesen verhungern dann qualvoll, andere reichern die Mikro- und Nanopartikel in ihren Körpern an und gelangen dann über die Nahrungskette auch auf unseren Tellern. Die Forschung zu den Auswirkungen dieser Kleinstteile ist noch ganz am Anfang.
Wir wissen nicht, wer die Edeka-Plastiktüte in unserem Wald hinterlassen hat, wir wissen auch nicht wann. Wir wissen nur, dass sie dort nicht hingehört und dass sie ohne die Gemarkungsputzaktion noch hunderte Jahre dortgeblieben wäre.
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